Kommunalabwasserrichtlinie – zu kurz gedacht? Pharma Deutschland bezieht Stellung zu den Aussagen des Deutschen Städtetags

17.04.2025 Pharma Deutschland bezieht Stellung zu den am 15. April 2025 getätigten Aussagen des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy. Zur Debatte stehen u.a. die Fragen, ob die Kosten der Kommunalabwasserrichtlinie gerechtfertigt sind und wie viel Bürokratie mit der Umsetzung der Richtlinie verbunden ist.

Grundsätzliches

Statement Deutscher Städtetag
“Wir sehen mit großer Sorge, dass die Pharmaindustrie die Beteiligung an den Kosten der Abwasserreinigung wieder in Frage stellt. Spurenrückstände von Salben, Tabletten und Kosmetika belasten die Abwässer. Sie sind es, die ganz maßgeblich den höheren Reinigungsaufwand der neuen vierten Reinigungsstufe bei der Abwasserreinigung verursachen.”

Statement Pharma Deutschland
Die Pharmabranche verneint weder ihren Anteil am Eintrag von Spurenstoffen im Abwasser noch die Notwendigkeit, das Abwasser von Spurenstoffen zu befreien. Allerdings sind im Abwasser viele weitere umweltschädliche Spurenstoffe zu finden sind, deren Hersteller keine Erwähnung und Kostenbeteiligung in der Richtlinie finden.

 

Herstellerverantwortung

Statement Deutscher Städtetag
“Wenn die Herstellerverantwortung wegfällt, landen die höheren Reinigungskosten für das Abwasser bei den Gebührenzahlerinnen und -zahlern in den Städten. Das kann so nicht richtig sein.”

Statement Pharma Deutschland
Eine Herstellerverantwortung macht nur Sinn, wenn es möglich ist, die Produkte so herzustellen, dass keine Spurenstoffe ins Abwasser gelangen. Bei Human-Arzneimitteln kann das jedoch oft nicht erreicht werden, weil der gewünschte Effekt von Arzneimitteln fest mit den jeweiligen Wirkstoffen verbunden ist.

 

Brüssel

Statement Deutscher Städtetag
“Und auch der Weg, der in Brüssel jetzt versucht wird, ist problematisch: Eine lange und transparent verhandelte Richtlinie in einem Omnibus-Verfahren mal eben so abzuräumen, ist keine verlässliche EU-Gesetzgebung. Wir alle wollen sauberes Trinkwasser. Es geht um die Gesundheit der Menschen und um die Umwelt. Wir wissen, welche Auswirkungen Kleinstpartikel und Rückstände im Trinkwasser haben können.”

Statement Pharma Deutschland
Das Omnibus-Verfahren ist ein Instrument der Europäischen Kommission, um Gesetze effizienter zu machen. Es geht in dem Verfahren nicht darum, irgendetwas “abzuräumen”. Problematisch ist vielmehr, dass die EU-Richtlinie keineswegs transparent verhandelt wurde und eine nachweislich intransparente und lückenhafte Datenlagen verwendet.

 

Bürokratie

Statement Deutscher Städtetag
“Die Gesundheit der Menschen zu schützen, ist kein Bürokratie-Wildwuchs. Das Prinzip der Herstellerverantwortung ist außerdem ein Prinzip gerechter Lastenteilung – und zudem recht simpel umzusetzen. Das hat nichts mit Bürokratie zu tun.”

Statement Pharma Deutschland
Um die Gesundheit der Menschen zu schützen, müssen Richtlinien nicht nur gut gemeint, sondern vor allem gut gemacht sein. Das ist bei der KARL nicht der Fall.

Zentrale Fragen sind bisher völlig ungeklärt, u. a.:

  • Wie soll die Umweltschädlichkeit von mehreren Tausend Stoffen festgelegt werden?
  • Wie soll ein Preis anhand der Schädlichkeit von Spurenstoffen festgelegt werden?
  • Für welche Stoffe sollen es Ausnahmen geben?
  • Wie sollen die nationalen Herstellerorganisationen, die für die Gebühren-Sammlung benötigt werden, aussehen?

     

Kosten und Ausblick 

Statement Deutscher Städtetag
“Wir halten die Kosten für die Hersteller für vertretbar. Wir sprechen von knapp 9 Milliarden bis 2045 für den Ausbau und Betrieb der Viertbehandlung. Auf die Pharma- und Kosmetikindustrie würden davon voraussichtlich 80 Prozent in Höhe von knapp sieben Milliarden Euro entfallen. Das liegt deutlich unter den von der Pharmabranche transportierten Zahlen.”

Statement Pharma Deutschland
Aktuell gibt es keine verlässlichen Kostenprognosen. Die Bundesregierung teilte im September 2024 mit, dass eine abschließende Kostenschätzung noch gar nicht möglich sei.

Auch unsere eigenen Berechnungen auf Basis von 25 bereits gebauten oder geplanten Klärwerksprojekten lassen an den Kostenprognose des VKU zweifeln. Die Baukosten der untersuchten Klärwerksprojekte übertrafen bereits die Prognosen des VKU für Ausbau und Betrieb. 

Zwei Beispiele:

  1. Der Bau der vierten Klärstufe des Klärwerks der Stadt Mainz wird voraussichtlich 35 Mio. Euro kosten. Nach VKU-Prognose wären es für Bau und Betrieb 7,4 Mio. Euro.
  2. Nach VKU- Prognose würde die vierte Klärstufe des Klärwerks der Stadt Driburg 5,1 Mio. Euro kosten. Die voraussichtlichen realen Baukosten liegen allerdings schon bei 10 Mio. Euro.

Städte und Kommunen, brauchen Rechts- und Planungssicherheit. Warum sollte das bei Pharmaunternehmen anders sein?

 

Statement Deutscher Städtetag
“Außerdem fallen diese Kosten nicht sofort in vollem Umfang an, das verteilt sich über Jahre und über viele, viele Hersteller. Das ist kein Grund, Europa den Rücken zu kehren."

"Denn es werden ja alle Hersteller von Pharma- und Kosmetikprodukten, die Produkte im europäischen Binnenmarkt in den Verkehr bringen, verpflichtet – unabhängig von ihrem Sitz oder ihrer Produktionsstätte. Das macht ja auch Sinn, denn das Wasser wir hier belastet und nicht im Ausland.”

Statement Pharma Deutschland
Da es aktuell keine abgeschlossenen Kostenprognosen gibt, können Hersteller nicht verlässlich die finanziellen Folgen für die nächsten Jahre abschätzen. Dagegen steht, dass schon dieses Jahr Lieferverträge für Human-Arzneimittel unter den finanziellen Kosten der erweiterten Herstellerverantwortung abgeschlossen werden. Dies wird ein Problem für die Arzneimittelversorgung werden.

 

Quelle: Deutscher Städtetag

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