Schweizer Modell

Das Schweizer Modell: Eine gerechte Lösung für die vierte Reinigungsstufe 

Dass Kläranlagen eine vierte Reinigungsstufe brauchen, ist unumstritten. Die Belastung von Gewässern durch Mikroverunreinigungen nimmt kontinuierlich zu.  Die Zusammensetzung des kommunalen Abwassers spiegelt unsere derzeitige Lebensweise wider. Die Stoffe gelangen über den privaten Gebrauch, Haushalte, Krankenhäuser und die Industrie ins Abwasser und können in herkömmlichen Kläranlagen nur unzureichend herausgefiltert werden. Um die Wasserqualität langfristig zu sichern, setzen weltweit immer mehr Länder auf eine vierte Reinigungsstufe, die speziell auf die Entfernung dieser Schadstoffe ausgelegt ist. 

Während die EU mit der Kommunalabwasserrichtlinie KARL eine erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) einführen möchte, bei der vor allem Pharmaunternehmen die Kosten für die zusätzliche Reinigung tragen sollen, verfolgt die Schweiz einen anderen Ansatz: das Schweizer Modell. 

Das Schweizer Modell: eine gesamtgesellschaftliche Finanzierung 

Die Schweiz hat sich für eine gesamtgesellschaftliche Finanzierung der vierten Reinigungsstufe entschieden. Die Kosten für die vierte Reinigungsstufe sind dabei in den regulären Wassergebühren enthalten (“Konsumentenabgabe”). Da jeder Haushalt und jedes Unternehmen zum Stoffeintrag in städtischen Gewässern beitragen, werden die Kosten für die Aufbereitung auf Millionen Schultern verteilt, sodass die Gebühren nicht einseitig belastend wirken.

Verursachergerechte Abwasserabgabe – Wie funktioniert sie?

Die wichtigsten Punkte des Schweizer Modells sind: 

  • Jede Abwasserreinigungsanlage (ARA) zahlt eine Abgabe von neun Franken pro angeschlossenem Einwohner an den Bund und legt die Kosten auf ihre Kundinnen und Kunden um. 
  • Diese Einnahmen ermöglichen die Finanzierung von 75 Prozent der notwendigen Erstinvestitionen, die insgesamt 1,2 Milliarden Franken betragen. 
  • Die verbleibenden 25 Prozent der Erstinvestitionen finanzieren die Kläranlagen selbst. 
  • Sobald eine ARA mit der zusätzlichen Reinigungsstufe ausgestattet ist, entfällt für sie die Abgabepflicht.  
  • Die Abgabe ist zeitlich bis 2040 befristet, um den flächendeckenden Ausbau zu fördern. 

Dieses Modell stellt sicher, dass die Finanzierung des Ausbaus auf viele Schultern verteilt wird und Kommunen sowie Betreiber von Kläranlagen gezielt unterstützt werden.

Seit wann gibt es das Schweizer Modell?

Die ersten Maßnahmen zur Einführung der vierten Reinigungsstufe in der Schweiz wurden bereits in den 2010er Jahren ergriffen. Die flächendeckende Umsetzung erfolgte schrittweise, wobei die Konsumentenabgabe als Finanzierungsmodell frühzeitig etabliert wurde. Die gesetzliche Grundlage für die Einführung wurde 2016 geschaffen und seitdem haben zahlreiche Kläranlagen die vierte Reinigungsstufe implementiert.

Reaktionen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Kommunen

Viele Bürgerinnen und Bürger akzeptieren die Finanzierung über einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, da dieser als faire und transparente Lösung angesehen wird. Die Kosten sind für Haushalte überschaubar, und die Maßnahme trägt aktiv zum Schutz der Gewässer bei. Umweltorganisationen und Wasserversorger schätzen das Modell, da es eine langfristige und stabile Finanzierung sicherstellt.

Kommunen berichten, dass die Finanzierung über die Wasserrechnung weniger bürokratisch ist als alternative Modelle. Die einfache und rechtssichere Abwicklung über bestehende Strukturen hat dazu beigetragen, dass die 4. Reinigungsstufe schneller eingeführt werden konnte als in anderen Ländern.

Anfangs gab es seitens einiger Bürgerinnen und Bürger Bedenken, dass die Abgabe eine zusätzliche finanzielle Belastung darstellt. Allerdings wurde die Maßnahme durch gezielte Informationskampagnen begleitet, um die Vorteile zu verdeutlichen.

Langfristige Akzeptanz

Nach der Einführung hat sich das Modell etabliert und es gibt kaum mehr Widerstand gegen die gesamtgesellschaftliche Lastenverteilung. Dank der bereits messbaren Erfolge betrachten viele sie als nachhaltige Lösung, die eine schnelle und effektive Umsetzung der vierten Reinigungsstufe ermöglicht.

Das Schweizer Modell: Eine Lösung mit Zukunft!

Das Schweizer Modell verdeutlicht, dass die Finanzierung der 4. Reinigungsstufe ressourceneffizient umgesetzt werden kann. Der Verwaltungs- und Kostenaufwand wird durch die Abrechnung über die bestehenden Gebührensysteme geringgehalten. Im Vergleich hierzu hätte der Verschlag der EU-Kommission zur Folge, dass auf Seiten der Behörden, Kläranlagenbetreibern und Industrie große Verwaltungskapazitäten aufgebaut werden müssten, die zu vermeidbaren Kostensteigerungen führen würden. Das Schweizer Modell bzw. Modell Baden-Württemberg bietet daher einen effizienten und praxiserprobten Lösungsweg, der eine schnelle Umsetzung ermöglicht und gleichzeitig die Kosten fair verteilt. Zudem werden hohe bürokratische Hürden und vielfältige Rechtsfragen von Beginn an vermieden. Angesichts der aktuellen Diskussionen in der EU könnte es als Vorbild für andere Länder dienen.

Verwendete Quellen: 

https://micropoll.ch/wp-content/uploads/2020/06/2017_GWF_FB_Neun-Franken-f%C3%BCr-saubere-Gewa_d.pdf  

https://www.news.admin.ch/de/nsb?id=58567  

https://ml-umwelttechnik.ch/herausforderungen-der-schweizer-klaeranlagen/  

https://link.springer.com/article/10.1007/s00506-017-0406-z  

https://www.vci.de/themen/umwelt-sicherheit/boden-luft-wasser/vci-bevorzugt-fuer-schweizer-modell-eu-kommunalabwasser-richtlinie.jsp 

https://de.wikipedia.org/wiki/Vierte_Reinigungsstufe 

https://www.umco.de/blog/umweltschutz/erweiterte-herstellerverantwortung-was-die-neue-eu-kommunalabwasserrichtlinie-fordert.html 

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