Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte in seiner Plenumssitzung am 15. Juni 2023 einen Beschluss zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: § 40b (neu) gefasst, der die Substitution von Biologika in Parenteralia in Apotheken regelt. Im Rahmen des vorgelagerten Stellungnahmeverfahrens gab es seitens relevanter Stakeholder (darunter auch medizinisch wissenschaftlichen Fachgesellschaften) eine Vielzahl von Kritikpunkten zur Beschlussvorlage. Letztlich beschloss aber das Plenum seinerzeit einmütig wie vorgelegt, jedoch ohne Zustimmung der Patientenvertretung. Der BAH hatte berichtet: (BAHumVier 114/2023 vom 15.06.2023)
Mit Schreiben vom 14. August 2023 hat nun das Bundesministerium der Gesundheit (BMG) im Rahmen seiner Rechtsaufsichtsfunktion diesen Beschluss vom 15. Juni 2023 beanstandet. In seiner ausführlichen Begründung führt das BMG aus, dass die im Beschlusstext vorgenommene Verwendung des Begriffs „wirkstoffgleich“ statt der für Biosimilars verwendeten sozialgesetzlichen Formulierung „im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel“ und der arzneimittelrechtlichen Formulierung „ähnlich“ ist rechtlich nicht vertretbar sei. Das BMG verweist auf den gesetzlichen Regelungsauftrag nach § 129 Absatz 1a Satz 5 SGB V, der unter Bezugnahme auf Satz 3 („ebenfalls“) vorsehe, dass sich die Hinweise zum Austausch auf „im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel“ beziehen sollen. Diese Vorgabe erfolgte, weil Biosimilars zwar im Wesentlichen gleich in Bezug auf das Referenzarzneimittel, jedoch gerade nicht „wirkstoffgleich“ seien. Biologisch hergestellte Arzneimittel würden im Gegensatz zu synthetisch hergestellten Arzneistoffen nicht allein durch ihre Molekülstruktur definiert, sondern würden darüber hinaus durch das Herstellungsverfahren selbst charakterisiert. Biosimilars seien dem Originalprodukt ähnlich, jedoch nicht identisch, so das BMG weiter. Auch § 24b Absatz 5 Arzneimittelgesetz und Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 2001/83/EG gingen lediglich von einer Ähnlichkeit des biologischen Arzneimittels und des entsprechenden Referenzarzneimittels aus. Der Begriff „wirkstoffgleich“ würde bereits im Kontext des § 129 Absatz 1 und 2 SGB V in Bezug auf den Austausch eines Fertigarzneimittels gegen ein anderes preisgünstigeres oder vorrangig abzugebendes Arzneimittel (Generikum) verwendet. Ein wirkstoffgleicher Austausch erfolge bei Biosimilars jedoch gerade nicht. Deshalb ginge man davon aus, dass die unterschiedliche Verwendung des Begriffs „wirkstoffgleich“ in der Praxis als widersprüchlich bewertet würde. Die in den tragenden Gründen des Beschlusses genannten Erwägungen für die Verwendung des Begriffes „wirkstoffgleich“ könnten im Ergebnis nicht überzeugen, weil der Gesetzeswortlaut entgegenstünde.
Das BMG stellt in seiner Mitteilung klar, dass daher durchgreifende Einwände gegen die rechtliche Vertretbarkeit des Beschlusses bestünden. Das BMG weist aber auch darauf hin, die fachlichen Erwägungen des Beschlusses, insbesondere zu den Austauschmöglichkeiten von Biosimilars, seien nicht Gegenstand der Beanstandung. Abschließend fordert das BMG in seinem Schreiben den G-BA auf, den Beschluss unter Beachtung der sozialgesetzlichen Vorgaben zu biologischen Arzneimitteln und Biosimilars neu zu fassen.
Der BAH wird den Prozess weiterhin kritisch begleiten und berichten. Unbenommen bleibt, dass der BAH die gesetzliche Grundlage, die grundsätzlich eine Substitution von Biologika auf Apothekenebene vorsieht, als revisionsbedürftig betrachtet. Er plädiert weiterhin für die Streichung der Regelung zugunsten einer Substitution auf Apothekenebene, mindestens aber die Streichung des Wortes „zunächst“ im § 129 Abs. 1a Satz 6 SGB V, der da heißt: „Dabei soll der Gemeinsame Bundesausschuss zunächst Hinweise zur Austauschbarkeit von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patientinnen und Patienten geben.“
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