Am 17. August 2023 begrüßte Herr Prof. Hecken die Anwesenden und Zuschauerinnen und Zuschauer zur 124. öffentlichen Sitzung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Hybridformat.
1. Frühe Nutzenbewertung (AM-RL, Anlage XII)
Ergänzende Informationen zu den Beschlüssen der frühen Nutzenbewertung finden Sie in Kürze in der AMNOG-Übersicht im Mitgliederbereich der BAH-Webseite.
Ciltacabtagene Autoleucel (Orphan Drug, neuer Wirkstoff)
Anwendungsgebiet: Multiples Myelom, mind. 3 Vortherapien
Beschluss: Anhaltspunkt, nicht quantifizierbar, befristet bis zum 1. Juli 2026
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Die wissenschaftliche Datenlage lasse eine Quantifizierung aktuell nicht zu. Der Arzneimittel-Hersteller sei aber durch die EMA aufgefordert finale Daten vorzulegen. Um diese Daten in die Bewertung des Zusatznutzens einzubeziehen, befriste man den Beschluss bis zum 1. Juli 2026.
Emicizumab (neues Anwendungsgebiet)
Anwendungsgebiet: moderate Hämophilie A, ohne Faktor-VIII-Hemmkörper, mit schwerem Blutungsphänotyp
Beschluss: Zusatznutzen nicht belegt
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Prof. Hecken berichtete, dass keine direktvergleichenden Daten für die Bewertung des Zusatznutzens von Emicizumab vorgelegen hätten. Ein Zusatznutzen sei daher nicht belegt.
Dapagliflozin (neues Anwendungsgebiet)
Anwendungsgebiet: chronische Herzinsuffizienz mit linksventrikulärer Ejektionsfraktion LVEF > 40 %
Beschluss: Anhaltspunkt, gering
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Ergebnisse der placebokontrollierten Studie DELIVER hätten keine Unterschiede in der Gesamtmortalität gezeigt. Vorteile habe man aber im Morbiditätsendpunkt Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz sowie in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität gesehen. In der Kategorie Nebenwirkungen konnten keine Unterschiede festgestellt werden. Unsicherheiten bestünden bei der Selektion der Patienten mit erhöhten NT-proBNP-Werten. Insgesamt gehe man bei der Umsetzung der zVT von einer hinreichenden Annäherung aus. Verbleibende Unsicherheiten führten aber zu einer Aussagesicherheit der Kategorie Anhaltspunkt.
Dolutegravir/Abacavir/Lamivudin (neues Anwendungsgebiet)
Anwendungsgebiet: HIV-Infektion, ≥ 14 kg bis < 12 Jahre
Beschluss: Zusatznutzen nicht belegt
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Die Ergebnisse der 1-armigen Studie Impact seien mangels direkten Vergleiches zur zVT für die Bewertung des Zusatznutzens nicht geeignet. Ein Zusatznutzen sei daher nicht belegt.
Finerenon (neues Anwendungsgebiet 1)
Anwendungsgebiet: Chronische Nierenerkrankung bei Typ-2-Diabetes, Stadium 3 und 4 mit Albuminurie
Beschluss: Zusatznutzen nicht belegt
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Die Ergebnisse der vorgelegten Studien FIDELIO-DKD und FIGARO-DKD zeigten keine Vorteile im Gesamtüberleben. Signifikante Vorteile ergäben sich allerdings für den Morbiditätsendpunkt eGFR sowie für die gesundheitsbezogene Lebensqualität in der Domäne PCS. Für die Nebenwirkung hätten keine geeigneten Daten vorgelegen. Unsicherheiten ergäben sich aus der Umsetzung der zVT und dem Ausschluss von Patientinnen und Patienten mit symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion. Insgesamt reichten die gezeigten Vorteile jedoch nicht aus, einen Zusatznutzen ableiten zu können.
Finerenon (neues Anwendungsgebiet 2)
Anwendungsgebiet: Chronische Nierenerkrankung bei Typ-2-Diabetes, Stadium 1 und 2 mit Albuminurie
Beschluss: Anhaltspunkt, nicht quantifizierbar
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Die Ergebnisse der vorgelegten Studien FIDELIO-DKD und FIGARO-DKD zeigten Vorteile im Gesamtüberleben sowie für die Morbiditätsendpunkte Nierenversagen und bestätigte Verschlechterung der CKD. Keine Vorteile ergaben sich aus der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und den Nebenwirkungen. Insgesamt leite man aufgrund der Verbesserung beim Nierenversagen einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen ab.
Voclosporin (neuer Wirkstoff)
Anwendungsgebiet: Lupusnephritis (Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems)
Beschluss: Zusatznutzen nicht belegt
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Der vorgelegte adjustierte indirekte Vergleich von Voclosporin mit Belimumab über den Brückenkomparator Placebo in Kombination mit einer immunsuppressiven Basistherapie sei für die Nutzenbewertung nicht relevant. Ein Zusatznutzen sei daher nicht belegt.
Atezolizumab (Beschluss über Befristung)
Anwendungsgebiet: Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom, PD-L1 Expression ≥ 50 %, adjuvante Therapie nach Resektion und Chemotherapie
Beschluss: Das Plenum entschied für eine Verlängerung der Geltungsdauer dieses Beschlusses bis zum 1. Oktober 2024.
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Der G-BA hatte mit Beschluss vom 5. Januar 2023 über das Ergebnis der Nutzenbewertung von Atezolizumab entschieden und die Geltungsdauer des Beschlusses bis zum 1. April 2024 befristet. Da die finalen Ergebnisse der Studien erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stehen verlängere man die Befristung zum 1. Oktober 2024.
2. ATMP (ATMP-QS-RL, Anlage III)
Tabelecleucel
Anwendungsgebiet: Rezidivierte oder refraktäre Epstein-Barr-Virus positive Posttransplantations-lymphoproliferative Erkrankung (EBV+ PTLD), vorbehandelt, ab 2 Jahre
Beschluss: Das Plenum entschied für die Erstfassung der Anlage III Tabelecleucel bei EBV-positiven Posttransplantationslymphomen.
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Das Plenum entschied über die Erstfassung der Anlage III Tabelecleucel bei EBV-positiven Posttransplantationslymphomen. Unstimmigkeiten zwischen GKV-SV und DKG herrschten über diverse konkretisierenden Maßnahmen u. a. bezüglich der spezialisierten Leistungserbringer und die Angemessenheit des Spezialisierungsgrades der behandelnden Ärzte im Bereich der intensivstationären Behandlung, sowie den Anforderung an das pflegerische Personal.
Exagamglogen Autotemcel
Anwendungsgebiet: Behandlung von Sichelzellkrankheit und β-Thalassämie
Beschluss: Das Plenum entschied für die Erforderlichkeit der ATMP-QS-RL sowie die Beauftragung des Unterausschuss Arzneimittel mit vorbereitenden Maßnahmen zur weiteren Beschlussfassung.
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Prof. Hecken erklärte, dass über die Erforderlichkeit einer ATMP-QS-RL beschlossen werde. Gleichzeitig beauftrage man den Unterausschuss Arzneimittel mit der Vorbereitung einer Beschlussfassung über die konkret festzulegenden Anforderungen.
Lenadogene nolparvovec
Anwendungsgebiet: Behandlung der leber’schen hereditären Optikus-Neuropathie
Beschluss: Das Plenum entschied für die Einstellung eines Beratungsverfahrens.
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Der G-BA hatte mit Beschluss vom 5. Mai 2022 ein Beratungsverfahren über die Änderung der Richtlinie zu Anforderungen an die Qualität der Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien gemäß § 136a Absatz 5 SGB V (ATMP-QS-RL) für den Wirkstoff Lenadogene nolparvovec zur Behandlung der leber’schen hereditären Optikus-Neuropathie eingeleitet. Da der pharmazeutische Unternehmer den Antrag auf Marktzugang zurückgezogen hatte, bestehe kein Regelungsbedarf mehr, erläuterte Prof. Hecken.
3. Weitere Beschlüsse:
Änderung der Arzneimittel-Richtlinie Anlage IX (Festbetragsgruppenbildung): Zonisamid, Gruppe 1, in Stufe 1
Beschluss: Das Plenum entschied für die Neubildung der Festbetragsgruppe Zonisamid, Gruppe 1, in Stufe 1.
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Änderung der Arzneimittel-Richtlinie Anlage III (Übersicht über Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse) Nummer 32, Hypnotika/Hypnogene oder Sedativa zur Behandlung von Schlafstörungen (Daridorexant)
Beschluss: Plenum entschied für die Aufnahme einer weiteren Ausnahmeregelung in Anlage III Nummer 32
Votum: einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung
Das Plenum entscheidet über die Aufnahme einer weiteren Ausnahmeregelung in Anlage III Nummer 32 für den Wirkstoff Daridorexant zur Behandlung von Schlafstörungen. Daridorexant ist für die Behandlung von Schlafstörungen (Insomnie) zugelassen, deren Symptome seit mindestens 3 Monaten anhalten und eine beträchtliche Auswirkung auf die Tagesaktivität haben. Prof. Hecken erläuterte, dass hier eine Präzisierung vorgenommen werde, da ein geänderter Sachverhalt vorläge. Für Patientinnen und Patienten könne eine längere Therapie als vier Wochen angezeigt sein.
Änderung der Arzneimittel-Richtlinie Anlage IV (Therapiehinweise): Aufhebung der Therapiehinweise zu Pimecrolimus und Tacrolimus Das Plenum entschied einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung über die Aufhebung der Therapiehinweise zu Pimecrolimus und Tacrolimus, da es kein Regelungsbedarf hinsichtlich der wirtschaftlichen Verordnungsweise mehr gäbe.
Änderung der Arzneimittel-Richtlinie Anlage I (OTC-Übersicht): Nr. 18 (Flohsamen und Flohsamenschalen) Das Plenum entschied einstimmig mit Zustimmung der Patientenvertretung über eine Änderung der Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie (OTC-Übersicht) in der Nummer 18. Neben Morbus Crohn können Flohsamen und Flohsamenschalen nun auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen verordnet werden.
Die 125. öffentliche Sitzung des G-BA findet am 21. September 2023 statt. Der BAH wird berichten.
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